Haushaltsrede 2020

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Michael Klinkicht für die Ratssitzung am 13.12.2019 zur Verabschiedung des Haushalts 2020:

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

während die FDP auf Bundesebene lieber keine Verantwortung übernommen hat und frei nach Herrn Lindner lieber nicht regieren wollte, hatten Bündnis 90/Die Grünen in Neuss den Mut, Verantwortung für diese Stadt zu übernehmen und gemeinsam mit der CDU eine Koalition gebildet, sofern man davon auf kommunaler Ebene sprechen kann. Nebenbei bemerkt, mit großem Erfolg. Ich erinnere gerne daran, dass insbesondere aus den Reihen der Sozialdemokraten geunkt wurde, diese Koalition würde nicht einmal den ersten Haushalt gemeinsam verabschieden können. Das war vor fünf Jahren und heute verabschieden wir den Etatentwurf für 2020 erneut gemeinsam. Wir freuen uns natürlich, wenn sich andere Fraktionen anschließen, denn wir haben immer betont, dass wir die Koalition der Einladenden sind.

Es ist uns gelungen, mehr als nur grüne Akzente zu setzen: Die Verbraucherzentrale, die seit Jahren eine gute Arbeit leistet, geht auf unsere Initiative zurück. Der Raum der Kulturen ist mittlerweile fest etabliert und erstmals stellen Bündnis 90/Die Grünen einen Beigeordneten in dieser Stadt und zwar für Umwelt und Sport. Die Implementierung von Dr. Welpmann erfolgte zur rechten Zeit, denn durch Ratsbeschluss ist der Schutz des Klimas mit höchster Priorität versehen. Herr Welpmann arbeitet mit seinem Team mit Hochdruck an der Erstellung eines Klimaschutz- und Anpassungskonzeptes. Dafür möchten wir Herrn Dr. Matthias Welpmann und seinem Team unseren außerordentlichen Dank aussprechen. CDU und Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Verwaltung bei dieser schwierigen und langwierigen Aufgabe nach Kräften. Aber anders als einige hier im Rat vertretenen Fraktionen sind wir nicht populistisch unterwegs, sondern sachgerecht. Wir fordern eben nicht einfach mal zwei, drei oder gar fünf Millionen für einen Klimafonds, ohne zu wissen, was damit finanziert werden soll. Wir stellen Gelder für konkrete Maßnahmen bereit, wo sie benötigt werden. Zum Beispiel 60 Tausend Euro für zusätzliche Baumpflanzungen oder weitere 50 Tausend Euro für die Bewässerung neu gepflanzter Bäume. Ebenso stellen wir 100 Tausend Euro für Klimaanpassungsmaßnahmen in den Haushalt ein. Wenn die Verwaltung im Sommer kommenden Jahres das Klimaschutzkonzept, vom Rat der Stadt verabschiedet, als Arbeitsauftrag vorliegen hat, wissen wir, was an Kosten auf uns zukommen wird und wo diese Kosten anfallen werden. Dabei ist es wenig hilfreich, wenn die SPD schon heute aus dem Topf der Stadtwerke mehrere Millionen entnehmen und in einen städtischen Fonds einzahlen will. Wir würden vorab Geld durch die anfallende Steuer verlieren und haben noch kein Konzept zur weiteren Verwendung.

Aber genau das benötigen wir, meine Damen und Herren, ein Konzept und den Zusammenhalt im Rat, um dieses Konzept mit Leben zu füllen.

Ein wichtiger Bestandteil dieses Klimaschutzkonzeptes ist die Mobilität. Der Aus- und Umbau des ÖPNV wird dabei eine übergeordnete Rolle spielen. Wir benötigen bessere und zusätzliche Busverbindungen zu bezahlbaren Fahrpreisen. Darüber hinaus wird die Busflotte auf umweltfreundlichere Fahrzeuge umgestellt. Das kostet Geld, viel Geld. Diese Kosten werden aber nicht im städtischen Haushalt verbucht, sondern bei den Stadtwerken. Deshalb wäre es fahrlässig, heute den Stadtwerken das Geld zu entziehen.  Das ist der Grund, weshalb wir diesem Konstrukt nicht zugestimmt haben.

An dieser Stelle möchte ich ein verdientes Lob aussprechen, dass endlich beim VRR ein Umdenken stattfindet und an einem neuen, einfacheren und günstigeren Preismodell gearbeitet wird. Allerdings muss ich Ihnen mit Blick auf die Deutsche Bahn sagen, dass selbst ein kostenloser ÖPNV für Berufspendler keine Alternative ist, wenn die Bahnen im Nahverkehr nicht fahren oder regelmäßig unpünktlich sind und sich die Bahnhöfe in einem katastrophalen Zustand befinden. Ich habe diese leidvolle Erfahrung jahrelang machen müssen. Hier fordern wir massive Verbesserungen, sonst wird das nichts mit der Verkehrswende.

Und eine Verkehrswende ist zwingend notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Das gilt natürlich auch für Neuss, leider sind wir noch weit davon entfernt. Zwar haben wir zu Beginn der Koalition bereits in 2014 durch Beschlüsse, wie z. B. die Verlegung der Straßenbahnlinie 709 ins Hammfeld, die Errichtung einer Hafenbrücke und die Planung eines Radschnellweges, wichtige Impulse in die richtige Richtung gegeben, aber wenn wir ehrlich sind, viel wurde noch nicht erreicht. Die Mühlen mahlen leider sehr langsam.

Dennoch können wir kleinteilige Erfolge verzeichnen, die nicht bedeutungslos sind. Ich darf einige Beispiele nennen:

Der Umbau des ersten Abschnitts der Bergheimer Straße kann sich sehen lassen. Bündnis 90/Die Grünen haben die Planung der Verwaltung gestoppt und auf einen gegenläufigen Radweg bestanden. Abgesehen von dem ständigen Ärgernis der durch PKWs zugeparkten Radwege, eine sinnvolle und gelungene Maßnahme.

Gleiches gilt für die Kanalstraße. Auch hier mussten dicke Bretter gebohrt werden, bis für sie eine fahrradfreundliche Lösung gefunden wurde. Dass auch zwei Ampeln ohne große Probleme weggefallen sind und damit erhebliche Kosten eingespart werden, ist ein positiver Nebeneffekt.

Endlich ist die Höchstgeschwindigkeit auf der Erftstraße von 50 auf 30 km/h gesenkt worden. Eine jahrelange Forderung meiner Fraktion.

Die Öffnung der Friedhöfe und Parks für den Radverkehr ist eine dankenswerte Initiative des Umweltamtes und ein weiterer Baustein für eine fahrradfreundliche Stadt.

Unser Antrag, Mobilitätszentren zu planen und einzurichten, wird Anfang 2020 mit der Eröffnung eines solchen Zentrums am Platz am Niedertor erste Früchte tragen. Neben der Etablierung von E-Autos, E-Bikes und E-Rollern auf Sharing-Basis wird dort eine digitale Vernetzung aller Verkehrsarten entstehen. Wir haben dabei mit den Stadtwerken Neuss einen idealen Partner gefunden. Das ist, ganz nebenbei bemerkt, auch Wirtschaftsförderung, denn die Wertschöpfung bleibt in Neuss. Wir fordern, dass der Ausbau der Zentren schnell umgesetzt wird, denn mit zwei Sharing-Autos sind noch keine großen Impulse gesetzt.

Unser aller Ziel muss sein, sich für saubere Luft, weniger Lärm und eine bessere Aufenthaltsqualität einzusetzen, denn diese Aufgaben können wir nur gemeinsam bewältigen.

Unsere Arbeit der vergangenen Jahre bis heute erstreckt sich nicht nur auf den Umweltbereich, sondern deckt alle Facetten dieser Stadt ab. Der soziale Zusammenhalt ist ein wichtiges Gut in unserem Land, und wir müssen gemeinsam alles daransetzen, dass eine weitergehende Spaltung der Gesellschaft in arm und reich, in „die da oben“ und „wir hier unten“ nicht stattfindet.  Was sich daraus entwickeln würde, wäre fatal. Sie sehen es schon heute in Deutschland und ganz Europa. Nationalismus und Faschismus werden wieder salonfähig. Hassreden und Gewalt gegen Andersdenkende und gegen Minderheiten sind jetzt schon traurige Normalität. Bisher haben wir gemeinsam dafür gesorgt, dass dieser Hass in Neuss keinen Nährboden findet. Und damit das so bleibt bemühen wir uns um sozialen Ausgleich und Zusammenhalt. Wir Grüne haben mit unserem Koalitionspartner ein Zeichen gesetzt für mehr Teilhabe aller Menschen in dieser Stadt  mit dem Beschluss zur Einführung eines Neuss-Passes. Wir danken ausdrücklich auch den anderen Fraktionen, die uns dabei unterstützt haben, denn dieser Pass muss auf breite Zustimmung stoßen, um öffentlichkeitswirksam umgesetzt und angenommen zu werden. Wir haben das Rad nicht neu erfunden, sondern bei den anderen Städten abgeschaut und konnten feststellen, dass dieser Pass dort mit großem Erfolg seit Jahren Bestandteil des öffentlichen Lebens ist. Dieser Pass, sobald eingeführt, wird dazu führen, dass Transferleistungsbezieher ganz real Geld sparen können und somit mehr zur Verfügung haben, oder aber am öffentlichen Leben teilnehmen können, wo es früher zu teuer war. Nochmals, vielen Dank für die breite Unterstützung hier im Rat.

Um den Zusammenhalt nicht nur in der Stadt selbst, sondern auch in den Stadtteilen zu fördern, haben wir für die Neugestaltung der Ortsmittelpunkte zusätzlich 100 Tausend Euro im Haushalt eingestellt und für den Ortsmittelpunkt Norf 20 Tausend Euro, damit die Umfeldverbesserung am Lessingplatz endlich realisiert und nicht auf spätere Jahre verschoben wird.

Herr Bürgermeister, hier möchte ich Sie noch einmal eindringlich an Ihr Versprechen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern von Norf erinnern, sich persönlich für die Attraktivierung des Lessingplatzes einzusetzen.

Zusammenhalt benötigen wir aber nicht nur in den Stadtteilen, sondern auch bei den Eltern und ihren Kindern. Deshalb investieren wir weiterhin in die Sanierung unserer Schulen, in Neubauten von Kindergärten und in den qualitativen und quantitativen Ausbau. Leider liegen wir immer noch nicht im Zeitplan. Eine Schelte mit Blick auf das Gebäudemanagement spare ich mir heute, trotz Wahlkampf, denn ich honoriere auch deren Bemühungen.

 Ärgerlich ist allerdings nach wie vor, dass in Derikum der Bolzplatz für junge Heranwachsende einem Kindergarten zum Opfer gefallen ist. Bei allem Verständnis für die Not der Verwaltung, geeignete Flächen für weitere Kindertagesstätten zu finden: Das geht nicht! Wo sollen diese jungen Leute zukünftig hin? Sich am Bahnhof die Zeit vertreiben? Meine Fraktion erwartet, dass es zukünftig kein Ausspielen von Kindertagesstätten gegen
Bolzplätze mehr geben wird, denn sonst ist das nichts mit dem Zusammenhalt. Besser wäre, Schulen und Kindergartenplätze in ausreichendem Maße mit zu berücksichtigen.

Neben der Sanierung der Schulen erfordert auch der sichere Schulweg unserer Kinder unsere ganze Aufmerksamkeit. Denn sie sollen ungefährdet zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Schule kommen können. Dafür wollen wir Verkehrsübungsplätze auf geeigneten, dezentralen und gut erreichbaren Schulhöfen einrichten, damit ergänzend zu Einzelaktionen von Schule und Polizei Übungsmöglichkeiten bestehen, so dass die Kinder die nötige Sicherheit für ihren selbstständigen Schulweg erhalten. Elterntaxis sind nämlich nicht die Lösung.

Wir wollen Schulstadtpläne mit für Schulkinder geeigneten und empfohlenen Schulwegen einführen. Diese Pläne dienen auch  als Grundlage für erforderliche Verbesserungs- und Sicherheitsmaßnahmen. Natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind dies kleinere Maßnahmen, aber mit vorbildhafter Wirkung und mit minimalem Budget. 20 Tausend Euro haben wir hierfür im Haushalt etatisiert, unverständlicherweise gegen die Stimmen von SPD und FDP.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt definiert sich auch über ein breites Kulturangebot für alle Bevölkerungsschichten. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren den Grundstein für die kulturelle Öffnung gelegt: mit der Wiedereinführung des Kulturnacht, der kostenlosen Öffnung des CSM jeden ersten Sonntag im Monat für alle Bürgerinnen und Bürger, dem kostenlosen Besuch des CSM für alle Kinder und junge Menschen und der kostenlosen Nutzung der Stadtbibliothek, ebenfalls für alle Kinder und jungen Menschen. So setzen wir heute den nächsten Baustein mit verlängerten Öffnungszeiten der Stadtbibliothek an Wochenenden. Zusätzliches Geld stellen wir in den Ankaufetat des CSM und 25 Tausend Euro stellen wir für die Kunst im öffentlichen Raum bereit.

Bündnis 90/Die Grünen waren auch im Wirtschaftssektor aktiv, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn wir wissen, dass Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze sind.

Wir setzen neue Impulse für die heimische Wirtschaft! Hier nur einige Beispiele:

Nachdem wir 2017 die „Errichtung eines Gründerzentrums für Zukunftstechnologien“ eingebracht haben, zeigen sich nun Ende 2019 erste Erfolge, denn es gibt vor Ort private Angebote für Start-up-Aktivitäten und weitere Kooperationen entwickeln sich, z.B. mit der Rheinischen Hochschule am Markt.

Nachdem wir im letzten Jahr 10 T€ für die „Entwicklung eines Konzepts zur Vitalisierung von Handwerks- und

Kleinbetrieben und kulturellen Aktivitäten der Nordstadt“ bereitgestellt haben, sind wir gespannt, welche ersten Ergebnisse die Voruntersuchungen gebracht haben.

Da die Summe nicht ausgereicht hat, haben wir jetzt noch einmal nachgelegt und weitere  50 T€ für tiefer gehende Untersuchungen bereitgestellt.

Auch im Logistikbereich waren wir aktiv, denn Anfang 2018 haben wir das Thema „Schaffung von Micro-Depots für die Belieferung der Innenstadtgeschäfte mit Lastenrädern“ im Rahmen eines Antrags zur Schaffung von Mobilitätszentren angestoßen. Nicht zufällig hat die IHK das Thema aufgegriffen und dazu eine Studie in Auftrag gegeben, die gerade veröffentlicht worden ist. Auf dieser Basis kann nun ein Konzept für Neuss entwickelt werden mit dem Ziel, in ein bis zwei Jahren eine klimafreundliche und verkehrsverträgliche Anlieferung zu realisieren. So lassen sich Wirtschaftsförderung und Klimaschutz in idealer Weise zusammenführen.

Wir verfolgen konsequent den Weg einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik. Ja, wir wollen Unternehmen in Neuss ansiedeln, aber nicht um jeden Preis. Wir suchen keine Firmen, die viel Fläche benötigen und wenig Arbeitsplätze bieten. Wir sind für die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen, aber nicht in dem von der Verwaltung angedachten Umfang. Unser Boden ist ein wertvolles Gut und steht leider nicht unbegrenzt zur Verfügung, deshalb müssen wir sparsam damit haushalten. Das wird noch eine spannende Diskussion bei der Aufstellung des Flächennutzungsplanes.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich appelliere eindringlich an alle Verantwortlichen, die landwirtschaftlich genutzten Flächen zu erhalten. Wir benötigen die heimischen Produkte unserer Bauernschaft. Wir benötigen ebenso die Freiflächen zur Naherholung. Bäume und unverbauter Boden sind nach wie vor der beste Klimaschutz!

Im Finanzausschuss haben wir die mahnenden Worte des Kämmerers vernommen und auch die Kritik der IHK gehört: Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Wir investieren viel Geld in unsere Infrastruktur. Wir investieren in unsere soziale Gemeinschaft, das ist richtig und gut. Dennoch dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass der Haushaltsetat 2020 nur durch den Griff in die Ausgleichsrücklage ausgeglichen wird. Noch haben wir keine Konjunkturdelle, noch haben wir keine Gewerbesteuereinbußen, aber es werden immer wieder auch magere Jahre kommen und dann wäre es fatal, wenn die Rücklage aufgezehrt ist und wir schmerzliche Einschnitte vornehmen müssten. Deswegen ist es richtig, wenn einerseits dringend benötigte Personalstellen in bestimmten Bereichen neu geschaffen werden, andererseits aber nach Einsparpotentialen im Personalhaushalt gesucht wird.

Wir haben gemeinsam mit der CDU den Verkauf der RWE-Aktien beschlossen. Wir wollen aber, dass die Aktien nicht ad hoc, weil es gerade en vogue ist, verkauft werden, sondern zu einem vernünftigen Preis, damit der Erlös sinnvoll zu Klimaschutzzwecken verwendet werden kann. Wir erwarten, dass die Verwaltung uns in der Ratssitzung im März einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet und der Verkauf zu einem guten Kurs erfolgen kann. Im Gegensatz zu Linken und SPD sind wir nicht auf Effekthascherei aus, sondern handeln auch hierbei ausschließlich sachorientiert.

Abschließend darf ich mich noch im Namen meiner Fraktion sowohl beim Koalitionspartner, als auch bei der gesamten Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bedanken und Ihnen ein schönes Weihnachtsfest wünschen. Gleiches gilt natürlich auch für den Bürgermeister, der dieses wohl auch haben wird, da wir, wie schon eingangs angekündigt, dem Haushalt 2020 zustimmen werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.