Artikel aus der NGZ
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Nach 47 Jahren in städtischen Diensten spürt Helene Bähr noch einmal Aufbruchstimmung. Denn zehn Monate vor ihrer Pensionierung wurde sie als Sekretärin in das Vorzimmer des neuen Umweltdezernenten Matthias Welpmann (46) versetzt. „Der kommt mit ganz neuen Ansichten und weiß, was er will. Das finde ich spannend“, sagt Bähr über ihren neuen Chef, während sie Leitungswasser in eine Glaskaraffe füllt. Denn das Neue fängt auch mit kleinen Dingen an.
Für Welpmann, den ersten Beigeordneten mit dem Parteibuch von „Bündnis 90/Die Grünen“ im Neusser Rathaus, ist der Verzicht auf Mineralwasser und der Umstieg auf Wasser aus dem Hahn mit seiner deutlich besseren Öko-Bilanz keine Nebensächlichkeit, sondern Ausdruck einer Haltung. Genau wie der Verzicht auf ein eigenes Auto oder die Wahl seines ersten Termins im Amt, bei dem er mit Mitgliedern der Bürgerstiftung Neuss den Abschluss der Umgestaltung des Drususplatzes durch die „Bü.Ne“ feierte.
„Diese Menschen nehmen Dinge in die Hand, die man nach früherem Verständnis als Aufgabe der Verwaltung gesehen hat“, sagt er. Mehr davon, ist seine Meinung, denn: „Die Grünpflege werden wir mit unserem Personalbestand allein auf diesem Niveau nicht halten können.“ Die Stadt brauche den engagierten Bürger, sagt Welpmann: „Wir müssen weg von der Haltung: Ich lebe in meiner Stadt, deren Gestaltung überlasse ich aber anderen.“
Welpmann wurde von der Neusser Ratsfraktion der Grünen vorgeschlagen und Mitte Juni mit großer Mehrheit für eine achtjährige Amtszeit zum Dezernenten für Umwelt und Grün, Abfallwirtschaft und Straßenreinigung sowie Feuerwehr gewählt. Anfang August wurde ihm die Ernennungsurkunde ausgehändigt, am Montag wurde er vereidigt und per Handschlag von Bürgermeister Herbert Napp als Wahlbeamter verpflichtet. „Das ist für mich völlig neu. Ich war wohl im öffentlichen Dienst beschäftigt, aber noch nie Beamter“, sagt er. Ein Beamter auf Zeit zumindest.
Dafür war – und ist er noch – Politiker. Außer Bürgermeister Herbert Napp ist er der einzige Beigeordnete im Verwaltungsvorstand, der in einem Stadtrat (nämlich dem in Köln ) ein Mandat innehatte. Das legt Welpmann bis Mitte September nieder, doch diese Erfahrung und Sichtweise wird seine Arbeit weiter prägen: „Ich sehe mich als Mittler, als Transmissionsriemen, zwischen Bürger, Verwaltung und Politik“, sagt Welpmann, der den Fraktionen Ideen und vor allem Informationen an die Hand geben will. Denn am Ende entscheide immer der Rat. Diese „Durchlässigkeit“ könnte seiner Überzeugung nach auch das Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgerschaft prägen. Man könnte, so denkt er laut nach, das Ratsinformationssystem um ein Beschlusscontrolling erweitern. Damit der Bürger nicht nur nachhalten kann, was beschlossen wurde, sondern auch, wie weit die Umsetzung gediehen ist.
Im Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern dagegen setzt er nicht auf moderne Kommunikationsmittel. Dem, so wörtlich, „E-Mail-Unwesen“ will er den Kampf ansagen. Statt dessen setzte er auf die Möglichkeiten, die ihm die kurzen Wege im Rathaus eröffnen und das persönliche Gespräch. Gerne auch in seinem Büro – und gerne bei einem Gläschen Leitungswasser.
Quelle: NGZ