Haushaltsrede 2018

 

Haushaltsrede für die Ratssitzung am 15.12.2017 zur Verabschiedung des Haushalts 2018. 

Von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktionsvorsitzender Michael Klinkicht 

 

Es gilt das gesprochene Wort:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wann, wenn nicht jetzt,

hätten wir durch einen einmalige, zusätzliche Steuereinnahme von etwa 80 Millionen Euro, nach Abzug aller Verbindlichkeiten, sämtliche Sanierungsmaßnahmen abschließen können?

Wann, wenn nicht jetzt,

hätten wir durch diese zusätzliche Einnahme unzählige soziale Wohltaten, wie beispielsweise den Kindergarten beitragsfrei zu stellen, vollbringen können?

Wann, wenn nicht jetzt,

hätten wir mit den von der Verwaltung vorgestellten Konsolidierungsmaßnahmen, den Haushalt dauerhaft entlasten können?

Wann, wenn nicht jetzt?

Ist aber nicht die Frage, auf die die Politik eine ehrliche Antwort geben wollte, sondern lediglich der Titel zu Rio Reisers Liederabend im Rheinischen Landestheater.

An dieser Stelle darf ich Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion bereits ins Stammbuch schreiben, dass die Kulturschaffenden erleichtert sein können, dass die

SPD in dieser Stadt nicht die Mehrheit hat, denn dann wären die Kürzungsvorschläge der Verwaltung für das RLT, das Theater am Schlachthof, den Raum der Kulturen etc. eins zu eins umgesetzt worden.

Rio Reiser singt passend dazu: Der Traum ist aus.

Dass der Traum nicht aus ist, haben wir der schwarz-grünen Koalition zu verdanken.

An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass unsere Idee, jeden 1. Sonntag im Monat freien Eintritt für das Clemens-Sels.-Museum einzuführen, ein großer Erfolg war, den wir auch im kommenden Jahr wiederholen wollen.

Die Haushaltskonsolidierungsgespräche trugen aber auch in anderen Fachbereichen skurrile Züge. Um das strukturelle Defizit dauerhaft auszugleichen, müssen entweder Mehreinnahmen erzielt oder Ausgaben gesenkt werden. Ehrlicherweise muss man sagen, dass die Politik nicht gerade durch Kreativität und kluge Vorschläge aufgefallen ist. Das liegt vielleicht in der Natur der Sache begründet, dass wir uns eher als Wohltäter, denn als Verkünder unangenehmer Wahrheiten sehen.

Somit hat uns die Verwaltung entsprechend ihrer Ideen und Möglichkeiten einen bunten Strauß von Gebührenanhebungen und Einsparungen vorgelegt, den es zu diskutieren galt. Manch einer mag am Ende bedauert haben, dass von den vorgeschlagenen Konsolidierungsmaßnahmen nicht einmal eine Million Euro übrig geblieben ist, wenn aber schon die Anhebung des Kindergartenbeitrages 1,35 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen erzielen sollte, dann bedeutet die Streichung dieses Ansatzes bei einem vorgestellten Einsparvolumen von 5 Millionen, einen Wegfall von 25 Prozent des Gesamtpaketes.

1,35 Millionen Euro, die von Familien mit Kindern erbracht werden sollten, die wir in den vergangenen drei Jahren unter der CDU-Grünen Koalition erst entlastet hatten. Es war also nicht erstaunlich, dass dieser Vorschlag der Verwaltung auf

wenig Gegenliebe stieß. Erstaunlich war vielmehr das Verhalten der Verwaltungsspitze, die sich vom eigenen Vorschlag vehement distanzierte.

Der Bürgermeister sprach nur noch von einer Option, die man den Stadtverordneten vor Augen führen wollte.

Ich kann Ihnen sagen wie es war:

Reiner Breuer träumte…

Jede Nacht um halb eins, wenn das Fernsehen rauscht,

leg ich mich aufs Bett und mal mir aus

wie es wäre, wenn ich nicht der wäre, der ich bin,

sondern „Kanzler, Kaiser, König oder Königin“.

Da passt eine Anhebung der Kindergartenbeiträge nicht ins Bild und so forderte er flugs mit SPD und Linken, den Kindergarten beitragsfrei zu stellen. Wenn das nicht Schilda ist, meine Damen und Herren, statt den Haushalt mit 1,35 Millionen durch diese Beitragsanhebung zu entlasten, wollen Sie ihn mit der Beitragsfreiheit gleich um 5 Millionen dauerhaft zusätzlich belasten. Seriöse Politik sieht anders aus! Nämlich so, wie CDU und Grüne sie in dieser Stadt gestalten. Wir halten den Beitragssatz verlässlich und stabil und sind bereit, bei einer positiven Entwicklung die Beiträge weiter abzusenken. Eine Beitragsfreiheit ist wünschenswert, wenn sie bezahlbar ist und die Qualität nicht darunter leidet. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Ausstattung, die Bezahlung der KindergärtnerInnen und das zeitliche Angebot für die Eltern wichtiger sind, als eine kostenfreie Verwahranstalt.

Bündnis 90/Die Grünen haben sich mit ihrem Koalitionspartner darauf verständigt, dass wir im Kinder- und Jugendbereich keine Kürzungen vornehmen werden. Im Gegenteil, wir stärken das Haus der Jugend durch die Bereitstellung finanzieller Mittel zur Sanierung und Renovierung und wir setzen mehr Geld ein zur Sanierung der Kinderspielplätze. CDU und Bündnis 90/Die Grünen haben sich darauf verständigt, die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft noch stärker zu unterstützen.

An dieser Stelle gilt unser Dank auch der aufreibenden Arbeit der Beschäftigten im Jugendamt.

Und der Bürgermeister träumt weiter:

Wenn er nicht ohne Mehrheit,

sondern König von Deutschland wär,

dann gäb´s im Fernsehn nur noch ein Programm

Reiner Breuer 24 stundenlang!

Aber im politischen Alltag muss er darum kämpfen, dass die städtische Information „Neuss Publik“ wenigstens viermal im Jahr an alle Neusser Haushalte verteilt werden kann.

Im Zuge der Haushaltskonsolidierung sollten auch Ausschüsse zusammengelegt oder abgeschafft werden. Beispielsweise der Ausschuss für Anregungen und Beschwerden. Dieser Ausschuss ist eine Errungenschaft. Jede Bürgerin, jeder Bürgern kann sich hier zu Wort melden. Wir reden alle davon, die BürgerInnen stärker in die städtischen Pläne mit einzubeziehen und sollen dann, nach Verwaltungsvorgabe;den Beschwerdeausschuss abschaffen. Übrigens ist das nicht nur Verwaltungsmeinung, sondern auch die Meinung der SPD, die einen gleichlautenden Antrag für den Hauptausschuss am 13.11.2017 stellte. Eine merkwürdige Auffassung von „mehr Bürgerbeteiligung“, meine Damen und Herren.

Und Rio Reiser singt: „Alles Lüge!“

Außerhalb der Konsolidierungsliste hatten und haben wir den Alltag zu bewältigen.

Die Tour de France klopfte an die Tür und wir mussten überlegen, ob und wenn ja, zu welchen Konditionen die Tour durch Neuss gehen könnte. Der Bürgermeister erhoffte sich freie Hand, stattdessen musste er sich bei der Festlegung der Tour de France durch Neuss, mit einem widerspenstigen Rat herumplagen, der ihm seine Wünsche verwehrte. Unser Neusser Bürgermeister wollte analog des Düsseldorfer Bürgermeisters aus dem Vollen schöpfen und die große Show

durchziehen. Gut, dass CDU und Grüne ihn nicht ziehen ließen, sondern die Reißleine zogen und die Tour de France mit der Auflage verbanden, Geld bei den hiesigen Firmen einzuwerben. Dass diese Entscheidung richtig war, stellte sich später heraus. Während sich der Düsseldorfer Bürgermeister geißelte, weil er das Land um finanzielle Hilfe bitten musste, konnten wir ohne finanzielle Einbußen die Tour de France abschließen.

Ich habe es im Vorfeld angekündigt und daran will ich mich jetzt auch halten, dem Bürgermeister für sein Engagement ausdrücklich zu danken, dass die 100000 Euro über Einnahmen und Firmensponsoring eingeworben werden konnten.

Da ich jetzt gerade beim Sport angelangt bin, darf ich noch darauf hinweisen, dass die Koalition trotz massiver Widerstände aus den Reihen der anderen Fraktionen die Allwetterplätze in Norf und Gnadental durchgesetzt hat. Ich weise gerne darauf hin, dass der Spatenstich in Norf gerade erfolgt ist und dort nicht nur der ansässige Sportverein profitiert, sondern auch und insbesondere das Norfer Gymnasium, welches als einziges Gymnasium in Neuss Sport im Abitur anbietet und zukünftig mit dem Sport-Leistungskurs nicht mehr nach Knechtsteden ausweichen muss. Wir ertüchtigen das Jahnstadion zum Sportzentrum und werden Reuschenberg ebenfalls aufwerten. Ich versichere Ihnen aber jetzt schon, dass weiteren Begehrlichkeiten von Vereinen und Kommunalpolitikern auf weitere Kunstrasenplätze eine Absage erteilt werden muss, denn den Unterhalt dieser Kunstrasenplätze gibt es nicht zum Nulltarif!

Darüber hinaus müssen wir uns weiteren Herausforderungen stellen: Zusätzliche Wohnbebauung muss realisiert , Flächen bereit gestellt und Verkehr reduziert werden.

Eine Herkulesaufgabe für Rat und Verwaltung.

Überall ragen Baukräne in den Himmel. Was in den vergangenen Jahren versäumt wurde, nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird nun von verschiedenen

Bauträgern durch gesteigerte Bautätigkeit nachgeholt. Viele Bauvorhaben sind fertig oder in der Fertigstellung (Bauverein – Hülchrather Weg + Wolberostr., Deutsche Eigenheim – Römerstraße, GWG – Weberstr. + Staufenbergstr.). Außerdem haben wir in diesem Jahr etliche Planungsvorhaben auf den Weg gebracht (GWG – Salierstr. + Fesser Str., Bauverein Sauerkrautfabrik + Alexianer-Gelände, BEMA – Altes Pierburg + Bauer&Schauerte-Gelände, Eternit-Gelände). Und das immer mit einem Anteil von 25-35 Prozent preiswertem Wohnraum ab 40 Wohneinheiten, so dass wir sicher sind, dass das von uns vorgegebene Ziel von mind. 525 preisgünstigen Wohnungen bis 2020 sicher übertroffen werden wird.

Dass wir bei der Entwicklung neuer Wohnbaugebiete auf der grünen Wiese in den Koalitionsverhandlungen auf der Bremse standen, zahlt sich nun aus. Die Investoren haben sich deshalb innerstädtische Baulücken gesucht. Die vorgenannten Bauvorhaben werden alle innenstadtnah realisiert und was noch besser ist, sie finden vorwiegend auch auf Konversions- bzw. Nachverdichtungsflächen statt. Das heißt, es werden dafür keine wertvollen Frei- und Ackerflächen in den Außenbereichen in Anspruch genommen. Die Wohnbauflächen, die nun zusätzlich gewonnen wurden, müssen bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans natürlich von den ins Auge gefassten Außenflächen abgezogen werden. Dass das Gewerbe verloren gegangene Flächen dann für eine weitere wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt ersetzt bekommt, ist selbstverständlich.

Wir werden aber all den Rufenden, die nur auf unbegrenztes Wachstum nach weiteren Gewerbe- und Wohnbauflächen setzen, widersprechen, denn wir wollen unsere Stadt mit ihren jetzt fast 160000 Einwohnern und ihren noch vorhandenen Freiflächen erhalten und weiter so lebenswert gestalten. Wir wollen auch keine Schlafstadt von Düsseldorf werden!

Da Flächen aber, wie eben erwähnt, in unserer Stadt begrenzt sind, also auch die Gewerbeflächen, muss die Wirtschaftsförderung neue Wege gehen, um das hohe Gewerbesteueraufkommen auch zukünftig zu sichern. Eine intensivierte Bestandspflege und eine kluge Vermarktung der noch freien Gewerbeflächen für zukunftsträchtiges Gewerbe anstelle weiterer Logistikfirmen, müssen nach unserer Meinung nun im Vordergrund stehen. Mit unserem Koalitionsantrag, ein Gründerzentrum für Zukunftstechnologien zu schaffen, zeigen wir die Richtung auf, in die wir gehen müssen. Dabei soll sowohl der Schulterschluss mit den ansässigen Fachhochschulen als auch mit der heimischen Wirtschaft gesucht werden. Positive Signale dafür sind vorhanden.

Also, frei nach Rio Reiser: Wann, wenn nicht jetzt?

Eines der großen Probleme dieser Stadt ist die Bewältigung des Verkehrs und die damit verbundenen Belästigungen durch Geruchs- und Lärmemissionen.

Der motorisierte Verkehr nimmt auch in Neuss weiter zu und belastet die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.

Auch hier gibt es kein „weiter so“. Wir müssen umweltfreundliche Mobilitätsarten, wie den ÖPNV und den Rad- und Fußverkehr massiv stärken und die Menschen für den Umstieg gewinnen. Denn nur durch Zunahme der umweltfreundlichen Verkehrsarten gibt es auch wieder Raum für den eines Tages abgasfreien Autoverkehr.

Mit seinem Wunsch, dass Autos und Socken nicht mehr stinken dürften, hat Rio Reiser schon 1986 auf ein wesentliches Umweltproblem hingewiesen.

Bei der Erarbeitung eines vernünftigen Mobilitätskonzeptes darf ich an dieser Stelle einmal ein Lob an die Verwaltung aussprechen. Herr Hölters und seine Mitarbeiter haben den „Workshop Innenstadtmobilität“ auf den Weg gebracht und Prof. Wachten als Berater dafür gewonnen. Wir sind sehr davon angetan, wie konstruktiv dort gearbeitet wird und sind erfreut, dass bereits Einigkeit in einigen Fragen erzielt werden konnte.

Ein Ergebnis ist, dass wir einen tragfähigen Kompromiss für die Umgestaltung der Kanalstraße gewonnen haben, der eine Stärkung des Rad- und Fußverkehrs beinhaltet und durch den Wegfall der beiden Ampelanlagen auch wegweisend für andere Kreuzungsbereiche in der Innenstadt sein könnte. Dass wir die nun gefundene Lösung unter den Vorbehalt einer externen Sicherheitsüberprüfung gestellt haben, zeigt, dass wir die Bedenken einiger Ratskolleginnen und Kollegen und der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Das hat bereits bei der Umgestaltung der Bergheimer Straße geholfen und die heutige Lösung, die wir erarbeitet haben, kann sich wirklich sehen lassen.

Wir sind optimistisch, dass wir mit weiteren Maßnahmen, wie der Schaffung eines Radschnellweges oder einer durchgehenden Radwegeverbindung von Grimlinghausen zur Neusser Innenstadt, unser Ziel erreichen werden, Neuss zu einer wirklich fahrradfreundlichen Stadt zu machen, in der Lärm und Abgase abnehmen.

Leider sind uns bei den meisten Lärmquellen die Hände gebunden. Beim Schienenverkehr haben wir keinen Einfluss auf die Deutsche Bahn, leisere Züge einzusetzen (was technisch möglich wäre), sondern können froh sein, wenn diese überhaupt fahren.

Beim Flugverkehr haben wir lediglich Einfluss über die Landesregierung. Hier erwarten wir von der neuen CDU/FDP Koalition, dass sie die Belange der lärmgeplagten Menschen im Umland beim Ansinnen des Flughafens auf Kapazitätserweiterung, angemessen berücksichtigt und sich nicht zur alleinigen Interessenvertretung der Flughafen GmbH machen lässt.

Bei der Verbesserung der Luftqualität in unserer Stadt haben wir ebenfalls nur begrenzt Einflussmöglichkeiten. Viele Geruchs- bzw. Schadstoffemittenten liegen nicht im Einzugsbereich. Dennoch können wir kleine Beiträge leisten.

Der Antrag der FDP auf Citytrees scheint nach derzeitigem Kenntnisstand leider kein Beitrag für eine echte

Luftverbesserung zu sein. Die bisherigen Versuche in anderen Städten sind noch nicht abgeschlossen oder schon beendet, da sie nicht das erhoffte Ergebnis erzielten. Die Betonmooswände vertrockneten, wurden von Schimmel befallen oder es steckte einfach der Wurm drin und das für 25000 Euro pro Betonwand.

Bündnis 90/Die Grünen bevorzugen da mehr den natürlichen Weg zur Verbesserung innerstädtischer Straßenzüge. Beispielsweise durch das schlichte Pflanzen weiterer Bäume und mehr Begrünung von Hauswänden und Dächern. Wir sind sicher, dass wir dadurch bessere Erfolge erzielen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch viele Baustellen in dieser Stadt und nicht nur die sichtbaren im Straßenbereich. Wir dürfen uns nicht drücken, sondern müssen diese abarbeiten.

Ich schließe meinen Redebeitrag wie ich ihn begonnen habe mit den Worten Rio Reisers: Wann, wenn nicht jetzt?

Bündnis 90/Die Grünen sagen „Jetzt“ und stimmen dem Haushalt 2018 zu!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.