Helga Koenemann, Michael Klinkicht: CDU und GRÜNE retten ihre Ratskoalition

Foto: Andreas Woischützke NGZ
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Artikel aus der NGZ:

Die Spitzen der Koalition über ihren Kompromiss: Grüne sagen Ja zum Zweirad-Großmarkt, im Gegenzug unterstützt die CDU deren Forderung zur Stärkung des Radverkehrs. Somit ist klar: Schwarz-Grün setzt die Arbeit fort und stimmt dem Etat zu. Von Ludger Baten

Neuss Die schwarz-grüne Ratskoalition ist an der Frage, ob ein Zweirad-Großmarkt im Hammfeld angesiedelt wird, nicht zerbrochen. „Wir haben uns geeinigt“, sagen Helga Koenemann (CDU) und Michael Klinkicht (Bündnis 90/Die Grünen). Nach tagelangem Ringen stehe der Kompromiss. Für 10 Millionen Euro wird das Hammfeld-II-Grundstück an den Investor Kurt Krieger (Höffner) verkauft, der dort sein Möbelhaus Sconto errichtet, und auch Zweirad-Stadler kommt mit seinem Großmarkt aufs Areal. Die Restfläche fällt aus der Krieger-Option und soll nun von der Stadt entwickelt werden. Im Gegenzug wird die Koalition ein Lieblingsprojekt der Grünen, ein flächendeckendes Konzept für den Radverkehr in Neuss erarbeiten und umsetzen – bis 2020. Zur Vereinbarung gehört, dass die Umgestaltung der Kanalstraße zur Fahrradstraße nun doch beschlossen wird. Zuletzt hatte es für diese Initiative im Rat keine Mehrheit gegeben. Somit ist klar: Schwarz-Grün setzt seine Arbeit fort und wird auch heute im Rat dem Etat zustimmen.

Welche Botschaft soll denn nun an diesem Kompromiss gut sein?

Koenemann Die erste schwarz-grüne Koalition in Neuss war, ist und bleibt handlungsfähig. Wir diskutieren oft hart, aber immer fair. Am Ende siegt der Wille, gemeinsam eine gute Lösung zu finden.

Die war nur möglich, weil die Grünen ihren erklärten Widerstand gegen den Zweirad-Großmarkt Stadler aufgegeben haben.

Klinkicht Die Grünen sind stinksauer, weil niemand – weder in der Politik noch im Rathaus – unsere Ideen von einem Campus oder einem Medizinpark im Hammfeld II ernsthaft verfolgt hat …

… und weil Sie stinksauer sind, haben Sie zugestimmt …?

Klinkicht Weil die Grünen in der Realität angekommen sind. Der Bürgermeister hat mit der Stadler-Ansiedlung ein Angebot gemacht, das eine breite Mehrheit im Rat hat, um den Haushalt auszugleichen. Ob wir dabei sind oder nicht, das müssen wir leider akzeptieren.

Warum fühlen sich die Grünen gleichwohl als Gewinner?

Klinkicht Auf der Habenseite stehen: Wir haben einen weiteren Baumarkt verhindert, der Bürgermeister hat angeboten, die die Hammfeld-II-Restfläche gemeinsam mit uns zu entwickeln und wir haben endlich die Stärkung des Radverkehrs durchgesetzt.

Warum ist den Grünen das Konzept zum Radverkehr so wichtig?

Klinkicht Wir sind fahrradfreundliche Kommune, die einen Radschnellweg erhält, die Tour de France kommt und Stadler baut einen Zweirad-Großmarkt – da macht es doch wohl Sinn, auch die Infrastruktur für den Radverkehr auszubauen, denn die verkehrliche Entlastung der City erfolgt nur über ÖPNV und eben mit dem Rad.

Ist nicht der Bürgermeister der große Gewinner? Sein Vorschlag Zweirad-Großmarkt sticht, er gleicht so den Haushalt aus und organisiert sich eine Etat-Mehrheit.

Koenemann Nein, so geht die Gleichung nicht. Bürgermeister Breuer wird sich ärgern, weil sein Plan nicht aufgegangen ist. Er wollte unsere schwarz-grüne Koalition zerschießen und ist grandios gescheitert. Und er wird sich weiterhin die Zähne an dieser Koalition ausbeißen.

Gut gebrüllt Löwe. Aber lenken Sie bitte nicht vom eigentlichen Thema ab. Die schwarz-grüne Koalition stand auf der Kippe und nicht der Neusser Bürgermeister.

Koenemann Diese Koalition hält, weil wir auch in schwierigen Situationen ehrlich miteinander umgehen. Uns geht es um die gute Entwicklung von Neuss, denn die macht letztlich alle Neusser zum Sieger. Das gelingt uns immer öfter. Klinkicht Natürlich waren die Verhandlungen schwierig. Natürlich haben wir uns gefragt, ob mit der uns abverlangten Stadler-Entscheidung nicht der Koalitionsbruch gegeben ist. Aber letztlich zahlt die CDU mit vielen Zugeständnissen und durch ihre Unterstützung zur Stärkung des Radverkehrs den gerechten Preis. Die Koalition funktioniert, weil jeder gibt und nimmt.

Mit welchen Themen wollen Sie Bürgermeister Breuer stellen? Werden Sie im Rat noch Akzente setzen?

Koenemann Seine Idee, den Stadtwerken weitere fünf Millionen Euro zur Haushaltssanierung abzuverlangen, machen wir nicht mit. Bei 2,5 Millionen Euro ist Schluss, weil die Stadtwerke Geld und Rücklagen für Investitionen benötigen. Da ist das Stadtbad nur ein Stichwort. Klinkicht Damit entsteht eine Unterdeckung, aber da erwarten wir, dass nun einmal der Bürgermeister Vorschläge macht. Er sollte sich mit dem Landrat wegen der Kreisumlage, der Sparkasse wegen möglicher Ausschüttungen und den anderen Töchtern noch einmal ins Benehmen setzen.

Was sagen Sie den City-Händlern, die zuletzt heftige Kritik übten?

Koenemann Stadler müssen die Händler schlucken. Der Innenstadtstärkungsfonds bleibt bestehen, so wie er ist. Die vier verkaufsoffenen Sonntage im Jahr – von 2017 bis 2019 – werden wir genehmigen.

Letztlich stopfen Sie mit dem Grundstücksverkauf nur Finanzlöcher, ohne den Haushalt strukturell zu sanieren. Warum handeln Sie nicht?

Koenemann Da sehe ich den Bürgermeister in der Pflicht. Der gibt gerade 1,4 Millionen Euro für mehr Personal aus. Es wäre gut, wenn das Rathaus endlich Sparwillen zeigt. Klinkicht Fünf Millionen Euro könnten wir möglicherweise im Etat sparen. Das wird aber nicht reichen. Ohne Mehreinnahmen geht es nicht. Entweder steigen die Steuereinnahmen weiterhin oder wir werden mittelfristig nicht an Erhöhungen bei Steuern und Gebühren vorbei kommen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Aber deshalb haben wir die Konsolidierungsgruppe unter Leitung des Bürgermeisters ins Leben gerufen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.