Neuss: Die schwarz-grüne Familien-Koalition

Ungleiche Brüder: Uwe und Dieter Welsink (r.) sitzen demnächst im Stadtrat nebeneinander und bilden eine besondere Variante von Schwarz-Grün. Foto WOI
Ungleiche Brüder: Uwe und Dieter Welsink (r.) sitzen demnächst im Stadtrat nebeneinander und bilden eine besondere Variante von Schwarz-Grün. Foto WOI
Ungleiche Brüder: Uwe und Dieter Welsink (r.) sitzen demnächst im Stadtrat nebeneinander und bilden eine besondere Variante von Schwarz-Grün. Foto WOI

Artikel aus der NGZ von Christoph Kleinau:

Der kleine Bruder wird jetzt der kleine Partner: Am 23. September wird der Grünen-Sprecher Uwe Welsink als Stadtverordneter vereidigt. Es ist das erste politische Mandat des 57-Jährigen, der es im Stadtrat künftig mit seinem Bruder Dieter (58) zu tun bekommt. Bei der Kommunalwahl 2014 hatte sie die direkte Konfrontation vermieden, denn der CDU-Mann Dieter Welsink errang das Direktmandat im Stadionviertel, während sein grüner Bruder in der Innenstadt achtbare zwölf Prozent holte. Nun wetzt dieser das Messer: „Mal sehen, in welchem Ausschuss wir uns treffen.“

Die Kampfansage ist nicht ernst gemeint, denn die ungleichen Brüder eint ein Ziel: „Keiner von uns würde momentan die Koalition gefährden“, sagen beide, die nun in der schwarz-grünen Ratsmehrheit zusammenwirken. Doch schon der nächste Satz macht deutlich, dass sich das Rollenverständnis unterscheidet. „Ich wünsche mir, dass sich die Grünen als kleinerer Partner der Koalition dem Mainstream des Größeren anschließen“, sagt Dieter Welsink – und man sieht seinem Bruder an, dass er jetzt gerne mit den Augen rollen würde.

Dass die beiden Familien-Koalitionäre zu politisch denkenden und handelnden Menschen wurden, erklären sie mit ihrem Vater. Dem Bergmann aus Marl, der später zu Bayer wechselte und die Familie damit ins Rheinland brachte, war Auseinandersetzung wichtig. „Kein Essen ohne Diskussion“, sagt Uwe, der wie seine drei Brüder dabei eines lernte: „Bei allem Disput gehört Respekt dazu.“

So riss der Gesprächsfaden auch nicht ab, als sich Uwe Welsink Ende der 1970er-Jahre den ersten Ostermärschen anschloss, gegen Atomkraft wetterte und sich von der Streitkultur der Grünen, wo sich „Fundis“ und „Realos“ aneinander abarbeiteten, begeistert zeigte. „Das war ganz anders, als alles, was man sonst kannte“, sagt er.

Sein großer Bruder war da schon längst und ganz anders politisiert. Ziele definieren, verfolgen und durchsetzen, sagt Dieter Welsink, sei schon von ihm gefordert worden, als er als Kanute Leistungssport betrieb. „Mich hat geprägt, dass ich Dinge vom Ergebnis her denke“, sagt der Gesundheitsunternehmer Welsink, der es ebenso faszinierend wie (mitunter) nervig fand, dass es sein Bruder Uwe („der Belesenere“) liebte, Dinge stundenlang zu diskutieren. Der hat mit diesem „Vorwurf“ gar kein Problem: „Entscheidungen kommen in der Politik anders zustande, als in einem Unternehmen.“

Dieter Welsink erkannte im Gesellschaftsbild der CDU früh sein eigenes: „Offenheit, Freiraum für das Individuum, Hilfe zur Selbsthilfe“, fasst er die Kernelemente zusammen. „Ich brauche Spielregeln und keine Bevormundung“, sagt er. Das Weltbild der Grünen fasste er als komplett anders auf. Die Replik darauf (er)spart sich Bruder Uwe.

Beide eint die Begeisterung für den Sport, aber beim Thema Olympiabewerbung 2028 sind sie gänzlich anderer Ansicht. Beide wollen an der Braunkohle vorerst festhalten, doch Uwe will den Ausstieg und den damit verbundenen Strukturwandel beschleunigen. „Wir müssen schneller sein als das Land“, fordert er knapp. Beim Thema soziale Standards, die dem CDU-Welsink zu hoch erscheinen, aber sind die Positionen der Brüder jedoch unvereinbar. Etwas Dissens muss sein.

externer Link zum Originalartikel auf rp-online.de

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