Haushaltsrede 2015

Bild gehört nicht zum Originalartikel
Michael Klinkicht Fraktionsvorsitzender
Michael Klinkicht Foto: WOI
Michael Klinkicht Foto: WOI

Rede zur Verabschiedung des Haushaltes 2015 im Rat der Stadt Neuss
Fraktionsvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Michael Klinkicht
Sperrfrist Freitag, 6.2.15, 16.00
Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zu Beginn meiner Ausführungen zum Haushalt möchte ich Ihnen zwei Punkte vorab zur Kenntnis geben:

  • Wir haben ein Novum in dieser Stadt. Bündnis 90/Die Grünen sind erstmals seit ihrem Bestehen in Neuss an der Gestaltung des Haushaltes beteiligt und somit in direkter Verantwortung für die festgesetzten Maßnahmen und personellen Veränderungen in dieser Stadt. Das bedeutet nicht weniger, als dass wir zum ersten Mal auch dem Haushalt zustimmen werden. Ich sehe, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Überraschung hält sich in Grenzen,  Sie haben es wahrscheinlich schon geahnt. Die Zustimmung des Haushaltes hat somit auch Konsequenzen für die von mir vorgetragene Rede. Womit ich auch schon bei Punkt 2 bin.
  • Während unserer Haushaltsberatung wurde meiner Fraktion schmerzlich bewusst, dass wir hier und heute nicht dadurch glänzen werden, dass wir dem Bürgermeister und der Verwaltung Versäumnisse und Fehlentscheidungen vorhalten und ich darf Ihnen ehrlich versichern, dass mich das ein wenig betrübt. Auch habe ich lange gezweifelt, ob es möglich sein würde, eine kraftvolle und inhaltlich substantielle Rede aus der Verantwortung heraus halten zu können. Glauben Sie mir, ich sah  mich vor wenigen Wochen noch schwitzend vor meinen Unterlagen sitzen, ob und wie wir diesem Haushalt einen grünen Stempel aufdrücken können.

Umso erleichterter bin ich, Ihnen hier und heute mitteilen zu können, dass dies sehr wohl möglich ist! Bündnis 90/Die Grünen und CDU ist es gelungen einen Haushalt aufzustellen, der sogar von einer breiten Mehrheit in diesem Rat getragen werden kann.
Natürlich können wir es nicht allen recht machen, wie die Kommentare in den Medien und die Stellungnahme der IHK zum Haushalt zeigen.
Die einen sagen, dass wir sparen sollen,  z.B.  im Sozialbereich und beim Personal, die Anderen behaupten, dass der Haushalt nur durch irgendwelche Tricks ausgeglichen werden konnte. Diesen Aussagen muss energisch widersprochen werden!
Der Haushalt ist ausgeglichen, da er durch reale Einnahmen gedeckt ist. Wer hier von Tricksereien spricht, weiß leider nicht wovon er spricht.
Von der IHK hatten wir uns deutlich positivere Worte erhofft, da wir insbesondere die Gewerbesteuer aber auch alle anderen Steuern unangetastet lassen. Schade, dass die IHK unsere Bemühungen nicht honoriert und stattdessen die steigenden Ausgaben im Sozial- und Personalbudget kritisiert.
Die Ausgaben im Sozial und Personalbereich sind notwendig, denn gerade hier wurde in den vergangenen Jahren umfassend gekürzt und Personal eingespart, bis an die Grenzen der Belastbarkeit für die Neusserinnen und Neusser und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus. Es ist äußerst fragwürdig, wenn ein Staat eine schwarze Null anstrebt, dabei aber seine Infrastruktur vernachlässigt. Wir erleben diese Vorgehensweise derzeit auf Bundesebene bei der Nichtbewältigung der Reparaturaufgaben an den maroden Brücken, Straßen und Schienennetzen oder bei der Bewältigung der steigenden Kosten für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen wo die Regierung die Kommunen im Regen stehen lässt. Wer eine zukunftsfähige Stadt haben möchte, der muss, da wo es nötig ist, auch investieren.

Trotz eines Defizites von 22 Millionen Euro haben wir eben nicht den Rasenmäher herausgeholt um nach dessen Prinzip flächendeckend 10 Prozent oder mehr, wie in der Vergangenheit geschehen, zu kürzen. Die schwarz-grüne Koalition, deren Zusammenarbeit besser funktioniert als so manche Unkenrufer glauben wollten, hat sich zum Ziel gesetzt notwendige Konzepte und Projekte auf den Weg zu bringen.  Da hilft auch nicht, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD so fleißig aus unserem Wahlprogramm und dem Koalitionspapier abschreiben und als eigene Anträge einzubringen versuchen um uns unter Druck zu setzen. Es ist Ihnen auch noch nicht gelungen, unsere Anträge durch eigene, aber gleichlautende, nur im Ergebnis mit deutlich mehr Geld  ausgestattet, auszuhebeln. Wir gehen die Sache mit Augenmaß an.

Im Folgenden will ich Ihnen einmal die Erfolge der schwarz-grünen Zusammenarbeit auflisten, um Sie zu motivieren, diesem Haushalt ebenfalls zuzustimmen.
Zwanzig Jahre haben wir dafür gekämpft, dass die Verbraucherberatung nach Neuss kommt, immer wieder wurden unsere Anträge abgelehnt, jetzt endlich ist es soweit. Voraussichtlich in diesem Sommer wird die Verbraucherberatung Ihre Pforten in Neuss öffnen. Damit konnten wir unser erstes Wahlversprechen einlösen.
Die Schultoiletten werden zügig saniert. Zusätzlich sind 1,5 Millionen Euro im Wirtschaftsplan des Gebäudemanagements pro Jahr bis 2020 etatisiert. Wir haben unser Wahlversprechen gehalten!
Der Neubau der Grundschule in Allerheiligen kommt. Wir haben unser Versprechen gehalten!
Die Schulen in Neuss werden insgesamt saniert und wo sinnvoll und notwendig werden die Container durch feste Baukörper ersetzt. Als Leitlinie zur Reihenfolge der Sanierungen wird uns die bis zum Sommer vorliegende Prioritätenliste des Gebäudemanagements dienen. Wir verfahren nicht nach dem Motto: Wer am lautesten brüllt wird zuerst bedient.
Wir investieren für unsere Kinder unter anderem bei den Schulen, für eine neue Skaterbahn, mit dem Paket „guter Start fürs Leben“ und „Aufwind“.
Seit Jahren fordern wir, die Korruptionsbekämpfung stärker voranzutreiben und werden im Antikorruptionsreferat eine zusätzliche Stelle einrichten. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir bereits einen Antikorruptionsbeauftragten eingefordert haben, als die meisten von Ihnen in Rat und Verwaltung ernsthaft noch glaubten, wir wären hier in Neuss die Insel der Glückseligen…der Traum ist leider ausgeträumt. Auch hier halten wir unser Wahlversprechen!
Den Umweltbereich, bekanntermaßen ein inhaltlicher Schwerpunkt der Grünen, wollen wir wieder mehr in den Fokus dieser Stadt rücken und ihm die Stimme geben, die er  verdient. Deshalb richten wir wieder die Beigeordneten-Stelle für Umwelt und Stadtgrün, Klimaschutz und Artenvielfalt ein. Wir investieren 100.000 Euro ins Jröne Meerke und planen die Erweiterung des Botanischen Gartens. Wir stellen zusätzliche finanzielle Mittel für die Erneuerung der Spielgeräte auf unseren Spielplätzen und mehr Personal für die Pflege der Grünanlagen bereit.
Im Amt für Grundsicherung werden 4 Stellen zusätzlich besetzt zur besseren und schnelleren Abarbeitung der Anträge für Transferleistungsempfänger. Wer deutliche Akzente im Sozialbereich setzen will, muss dies auch durch eine kluge Steuerung im Mietwohnungsbau tun. Deshalb erarbeiten wir mit unserem Koalitionspartner sowohl ein Konzept zum bezahlbaren Wohnraum als auch ein bau- und planungspolitisches Leitbild für Neuss. Unter anderem wollen wir mehr preiswerten und öffentlich geförderten Wohnraum schaffen, da bekanntermaßen gerade in diesem Mietpreissegment die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches übersteigt.
Wir erkennen den Wert der Arbeit unserer Tagesmütter an und haben deshalb eine Erhöhung des Stundensatzes um 50 Cent beschlossen. Diese Maßnahme ist mit zusätzlichen 350.000 Euro im Haushalt einzustellen.
Sie alle können derzeit in den Medien verfolgen, dass in Teilen der Bevölkerung ein Unbehagen den Kriegsflüchtlingen gegenüber besteht. Diesem Unbehagen müssen wir uns stellen und Ängste und Vorurteile abbauen. Wir wollen das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen intensiver fördern und richten deshalb den Raum der Kulturen ein, wo mehrere Gruppen aus verschiedenen Herkunftsländern gemeinsam zusammen arbeiten wollen.
Wir kümmern uns um unsere Senioren, nicht uneigennützig wie ich gestehen muss, denn schließlich heißt die Devise auch für jeden von uns, heute schon an morgen denken. Wir schaffen eine neue Stelle im Seniorenforum und geben zusätzlich 10.000 Euro für den Demografiebeirat aus.
Wir verlegen den Ruderverein zum neuen Uferpark und investieren in einen neuen Sportentwicklungsplan, da es dringend erforderlich ist, die Sportstätten den Bedürfnissen der Menschen und der Bevölkerungsentwicklung anzupassen.
Auch in Norf passiert endlich wieder etwas. Wir haben die Sanierung des Norfer Rathauses in Gang gesetzt. In einem ersten Schritt investieren wir 250.000 Euro für die Sanierung der Balkone. Auch hier stehen wir zu unserem Wahlversprechen.
Wir stärken die kulturelle Bildungsarbeit und den Bereich Interkultur durch eine neue Stelle im Kulturamt und führen die dem Spardiktat zum Opfer gefallene Kulturnacht ein.
Wir investieren in die Planung zur Verlegung der Straßenbahnlinie 709 ins Hammfeld, für die Radbrücke am Hafen und für einen städtebaulichen Wettbewerb am Wendersplatz.
Wir sorgen für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und geben mehr Geld für den Ausbau des Radwegenetzes und die Radwegesanierung aus. Ebenso investieren wir zusätzlich 100.000 Euro in den Umbau der barrierefreien Bushaltestellen.
Wer jetzt allerdings glaubt, dass all diese Vorhaben in 2015 oder 2016 umgesetzt und sämtliche Bauvorhaben abgeschlossen sind, den muss ich enttäuschen. Mit der Abarbeitung der geplanten Um- und Neubaumaßnahmen werden wir uns noch einige Jahre beschäftigen müssen. Aber ich kann Sie beruhigen, diese Koalition wird auch über 2015 Bestand haben, so dass wir nicht alles über Nacht erledigen müssen.
Natürlich kann man, wie von der SPD im Finanzausschuss gefordert, bei all den von mir aufgezählten Positionen noch 7,5 Millionen Euro draufsatteln. Das ist zwar aus Oppositionssicht verständlich, wäre aber nicht seriös. Unverständlich ist uns auch, dass die SPD zur Deckung ihrer Ausgaben einerseits die 10 Millionen Rücklage aus dem Grundstücksverkauf  Hammfeld II nehmen und andererseits auf die Gewinnausschüttung des Neusser Bauvereins an die Stadt verzichten will. Gleichzeitig fordert sie jedes Jahr die Gewinnausschüttung der städtischen Töchter  auf ein Maximum zu erhöhen ohne zu berücksichtigen, dass beispielsweise die Stadtwerke ihren Gewinn zur Querfinanzierung der defizitären Bereiche Bäder und ÖPNV nutzt. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir es hier mit rein populistischen Vorschlägen zu tun haben.
Bei aller Euphorie muss ich ehrlicherweise etwas Wasser in den Wein gießen, denn zur Klarheit und Wahrheit des Haushaltes gehört auch die Feststellung, dass es schwer ist und sein wird, den städtischen Haushalt in diesem Jahr und den nächsten beiden Jahren aus zu gleichen. Außer Gebührenerhöhungen und Ausgabensenkungen gibt es keine wesentlichen Einnahmemöglichkeiten für die Stadt und auch das hat seine Grenzen. Deshalb ist ein Blick in den Konzernhaushalt der Stadt hilfreich, denn da wird deutlich, dass bei den zahlreichen ausgelagerten städtische Töchter die Wertschöpfung erfolgt und sich auch hoffentlich bald Einsparpotentiale zeigen, z.B. beim Tiefbaumanagement.
Es ist auch durch die Sparanstrengungen des Bürgermeisters und der CDU-FDP Koalition seinerzeit nicht gelungen, den städtischen Haushalt auszugleichen. Eine schwarze Null konnte im besten Fall immer nur durch überplanmäßige Einnahmen oder durch Kürzungen und Gebührenerhöhungen erreicht werden. Richtig ist, dass wir den diesjährigen Haushalt durch den Erlös aus dem Grundstückverkauf Hammfeld II erreichen, aber Grundstücksverkäufe sind eine der Einnahmequellen der Stadt, wenn dem natürlich auch Grenzen gesetzt sind.
Eine Verbesserung der Haushaltssituation ist erst für 2018 erkennbar, wenn der Bund sich an der Finanzierung der Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen beteiligt. Leider belasten uns die steigenden Kosten für die Hilfen zur Erziehung und nicht zuletzt die steigenden Abgaben an den Kreis. Wir werden die nächsten Monate nutzen, gemeinsam mit der Verwaltung zu überlegen, wie maß- und sinnvoll beim städtischen Haushalt ein Ausgleich geschaffen werden kann. Da sind alle eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen.
Erlauben Sie mir, heute auch nicht von einer schwarzen oder roten Null für das Haushaltsergebnis zu sprechen, sondern von einer grünen! Denn Grün ist die Farbe der Hoffnung und wir verbinden mit unseren Investitionen die Hoffnung auf ein sozialeres, offeneres und grüneres Neuss. Auch wenn uns die Prognosen des Kämmerers für 2016 und 2017 nicht hoffnungsfroh stimmen können, bin ich sicher, dass wir auch in den kommenden Jahren einen vernünftigen Haushalt mit einer grünen Null verabschieden können.
Anhand meiner Ausführungen werden Sie zu dem Ergebnis kommen, dass wir in der Sache und mit den von uns auf den Weg gebrachten Maßnahmen ganz dicht beieinander sind. Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, diesen von CDU und Grünen eingeschlagenen und ambitionierten Weg mitzugehen und dem Haushalt 2015 zuzustimmen, auch wenn Sie sich nicht in jeder Haushaltsposition wiederfinden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.