Bürgermeister-Kandidatin Susanne Benary-Höck: „Frau tut Neuss wirklich gut!“

Foto: Frank Möll
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Stadt-Kurier:

Eine Frau als Neusser Bürgermeisterin? Das wäre möglich: Bündnis 90/Die Grünen schickt Susanne Benary-Höck ins Rennen um den Posten des Stadtchefs, in diesem Falle der Stadtchefin. Die 50-jährige Sozialarbeiterin (Leiterin des Betreuungsvereins der Diakonie Düsseldorf) besuchte gemeinsam mit dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Michael Klinkicht die Redaktion des Stadt-Kuriers. Von Rolf Retzlaff

Benary-Höck, Frau tut Neuss gut, Bürgermeisterin, Frau Benary-Höck, auf Ihren Flyern werben Sie mit dem Slogan „Frau tut Neuss gut“. Ist das wirklich so?

Benary-Höck:

Ja, denn Frauen sind mehr an Inhalten interessiert als Männer… (Klinkicht protestiert scherzhaft). Nein, im Ernst: Wir hatten so lange einen männlichen Bürgermeister, dass es Zeit ist, einen Wechsel einzuleiten. Neuss braucht mehr Weiblichkeit.

Stadt-Kurier:

Und das hat nichts mit der Frauenquote zu tun?

Benary-Höck:

Nein, denn ich lehne eine Quote um der Quote willen ab. Hier geht es für mich um Inhalte. Der oder die Bessere soll auch den geeigneten Posten bekommen.

Stadt-Kurier:

Jetzt fordern Sie vehement einen Wechsel, koalieren aber mit der CDU. Ist das kein Widerspruch?

Benary-Höck:

Nein, denn wir haben natürlich unterschiedliche inhaltliche Forderungen.

Klinkicht:

Für uns als Grüne ist es schwierig, den CDU-Bürgermeisterkandidaten Thomas Nickel zu unterstützen. Er kommt aus dem konservativen Lager. Hätte die CDU Helga Koenemann aufgestellt, hätten wir uns eher vorstellen können, auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten.

Stadt-Kurier:

Die Aufstellung einer eigenen Kandidatin ist aber auch ein taktischer Schachzug. Sollen so nicht Wähler aus dem Lager des SPD-Bürgermeisterkandidaten Reiner Breuer gelockt werden? Das würde einen Vorteil für Thomas Nickel bedeuten.

Klinkicht:

Wir haben die linke Flanke geöffnet, um der SPD Stimmen zu nehmen.

Stadt-Kurier:

Ein Zusammenspiel der Koalitionspartner; aber was passiert, wenn Thomas Nickel und Reiner Breuer zur Stichwahl antreten müssten, wie würde Ihre Empfehlung lauten? Können Sie, Frau Benary-Höck, wirklich ruhigen Gewissens das Votum für Thomas Nickel empfehlen? Immerhin schreiben Sie auf Ihrer Facebook-Seite: „In Neuss bilden seit jeher schwarze Bürgermeister einen ,Altherrenclub’“…

Benary-Höck:

Das würden wir dann basisdemokratisch auf einer Mitgliederversammlung entscheiden.

Klinkicht:

Aber wir müssen auch deutlich machen, dass die Koalition mit der CDU nur fortgesetzt werden kann, wenn Thomas Nickel gewählt wird. Natürlich können unsere Mitglieder auch entscheiden, Reiner Breuer zu unterstützen. Das würde dann das Ende der Koalition bedeuten.

Stadt-Kurier:

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass die Koalition mit der CDU die Neusser Grünen bei der nächsten Wahl Stimmen kosten könnte?

Klinkicht:

Warum sollte das so sein? Wir haben weiterhin unser eigenes Profil. Und wir haben in dem halben Jahr Koalition mehr Erfolge erzielt als in 20 Jahren Opposition.

Stadt-Kurier:

Nennen Sie ein paar Beispiele.

Benary-Höck:

Es kommt zum Beispiel endlich eine Verbraucherberatung nach Neuss. Wir haben die Schultoilettensanierung auf den Weg gebracht, wir schaffen einen Raum der Kulturen, erwähnenswert ist auch die Aktion „Guter Start ins Leben“.

Klinkicht:

Zudem werden in Norf Gelder für die Sanierung des Rathauses sukzessiv bereitgestellt. Nicht zu vergessen der Bau des Lebensmittelmarktes am Lessingplatz in Norf. Dies alles sind Erfolge, auf die wir verweisen können.

Stadt-Kurier:

Ein weiterer Schwerpunkt ihres Wahlprogramms ist die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf.

Benary-Höck:

Ja, denn ich weiß genau, wie schwierig dies für Frauen ist. Ich habe selbst einen 20-jährigen Sohn und weiß, wovon ich rede. Es muss für Frauen möglich sein, Kinder und Beruf miteinander zu vereinbaren. Deshalb meine Forderung nach Absenkung der Kindergartenbeiträge und Sicherstellung ausreichender Kindergarten- und OGS-Plätze.

Stadt-Kurier:

Das ist Teil ihrer Forderung nach einem Neuss als soziale Stadt. Ist das denn zu finanzieren?

Klinkicht:

Rund 95 Prozent der sozialen Ausgaben sind Pflichtausgaben. Der kleine Teil der freiwilligen Leistungen macht schließlich den Unterschied aus, sich mehr als andere Städte sozial zu engagieren. Aber da haben alle Kommunen das gleiche Problem: Die Finanzen brechen weg. Zum Beispiel würde Beitragsfreiheit für Kindergärten rund fünf Millionen Euro pro Jahr kosten. Das geht nicht bei einem Haushaltsdefizit von 20 Millionen Euro. Und das gilt auch für andere Baustellen.

Benary-Höck:

Wir müssen sehen, wie wir an Mittel von Land und Bund kommen.

Stadt-Kurier:

Das gilt auch für die Flüchtlingsproblematik.

Benary-Höck:

Richtig, das ist eine Herausforderung für die komplette Gesellschaft. Dabei geht es aber nicht nur darum, Geld zu investieren, wir müssen uns in unserer Haltung öffnen. Ich kämpfe auch gegen eine Vorverurteilung. Keiner möchte das erleben, was die Menschen erlebt haben, die zu uns kommen. Und da sollten wir auch etwas von unserem Wohlstand abgeben.

Stadt-Kurier:

Der Unmut über die steigende Zahl der Flüchtlinge scheint aber bei immer mehr Bürgern die Angst vor eigenen Benachteiligungen zu schüren.

Benary-Höck:

Da ist mehr Kommunikation gefragt. Wir müssen mehr erklären. Natürlich müssen wir die Ängste der Menschen ernst nehmen, aber auch Solidarität fordern.

Stadt-Kurier:

Das gilt auch für die Flüchtlinge aus dem Balkan?

Benary-Höck:

Jeder Asylantrag sollte gewissenhaft geprüft werden. Denken Sie nur daran, dass zum Beispiel schon Zelte der Sinti und Roma in Brand gesetzt wurden. Auch diese Menschen leben in einem Umfeld, das wir so nicht erleben möchten.

Stadt-Kurier:

Schlagwort Wirtschaftsförderung: Sie wollen sich für Mittelstand, Handwerksbetriebe und Dienstleister stark machen.

Benary-Höck:

Wir müssen einen stabilen Branchenmix erhalten und ausbauen. Das sichert mehr Arbeitsplätze und Steuereinnahmen als große Logistikunternehmen.

Klinkicht:

Diese Unternehmen verbrauchen sehr viel Fläche und schaffen weniger Arbeitsplätze. Die Wirtschaftsförderung ist teilweise einseitig ausgerichtet, wir müssen hin zu mehr mittelständischen Unternehmen.

Stadt-Kurier:

Eine klare Position haben die Grünen auch bei der Diskussion um die Windräder in Hoisten bezogen. Wie stehen Sie zu dem Widerstand aus der Bevölkerung?

Klinkicht:

Ich kann diesen Aufschrei nicht verstehen. Hier geht es um zwei Windräder. Und da haben Leute Angst, dass sie im Winter von an den Rotoren hängenden Eiszapfen tödlich getroffen werden oder der Boden wegen der Windräder vibriert. Das ist alles Quatsch. Und ein paar Hundert Meter weiter steigen große Rauchschwaden aus dem Kohlekraftwerk…

Stadt-Kurier:

Frau Benary-Höck, Sie sind erst seit 2006 Mitglied der Grünen, seit 2009 Stadtverordnete. Konnten Sie von dem erfahrenen Bürgermeister Herbert Napp etwas lernen?

Benary-Höck:

Herbert Napp ist ein extrem guter Taktiker. Ich teile nicht jede Sache, die er durchgezogen hat. Wenn ich Bürgermeisterin werde, werde ich mehr Menschen einbeziehen, für mehr Transparenz sorgen, mehr soziale Inhalte setzen.

Stadt-Kurier:

Wo wir gerade über andere Leute reden: Sagen Sie doch mal was Gutes über Ihre Mitbewerber.

Benary-Höck:

Thomas Nickel ist sehr moderierend in seiner Art und profitiert von seiner langjährigen Erfahrung als Manager. Reiner Breuer verfolgt seine Ziele konsequent und hat in der Landespolitik einiges erreicht.

Stadt-Kurier:

Zum Schluss noch ein Thema, das in Neuss schon oft diskutiert wurde: Sollten Sie die Wahl gewinnen, werden Sie als Frau die Parade nicht auf dem Marktplatz, sondern vom Rathausbalkon aus miterleben.

Benary-Höck:

Traditionen sind gut und richtig, aber die Schützen sollten darüber nachdenken, sich mehr den Frauen zu öffnen. Alles andere ist nicht mehr zeitgemäß. Warum zum Beispiel dürfen Frauen die Zog-Zog-Versammlung nicht besuchen?

Stadt-Kurier:

Und da sind wir wieder bei Ihrem Slogan: „Frau tut Neuss gut“…

Benary-Höck:

…den ich auch mit Inhalten untermauern werde!

Quelle: Kurier-Verlag